Ungewissheit bei Ford geht weiter

28.07.2022

Gut fünf Wochen nach der Entscheidung des Ford-Managements für Valencia, stehen in Saarlouis die Werksferien an.

Am Mittag lädt der Betriebsrat nochmal zur Betriebsversammlung, um über die aktuelle Lage zu informieren. Wie geht es in Saarlouis weiter? Auf diese Frage wird es heute aber wohl keine konkreten Antwort geben.

Wer sich an den 22. Juni zurückerinnert, der hat vor allem Sätze wie diesen im Ohr: „Wir fühlen uns verarscht“. Etwa fünf Wochen ist es nun her, dass Ford die Entscheidung mitgeteilt hat, auf die die Beschäftigten in Saarlouis und eigentlich auch die ganze Region über Monate gewartet hatte: Die neue Ford E-Autoplattform soll in Valencia gebaut werden.

Im internen Duell ist Saarlouis leer ausgegangen. Die Entscheidung wurde heftig kritisiert, die Beschäftigen gingen noch am selben Tag auf die Straße.

"RATLOSIGKEIT, WUT UND ENTTÄUSCHUNG"
Die Ungewissheit ist bis dato geblieben: wie es mit dem Werk in Saarlouis, den 4600 Beschäftigen und auch den Mitarbeitern im Supplier Park weitergeht, ist vollkommen offen. „Die Menschen stellen sich existenzielle Fragen und dann ist das gepaart mit einer Ratlosigkeit, einer Wut und einer Enttäuschung, und das schlägt sich dann auch in vielen Emotionen nieder“, so der Betriebsratsvorsitzende Markus Thal in der vergangenen Woche.

Die Stimmung werde von Woche zu Woche schlechter, sei teils aufgeheizt. Auch weil es neue Spekulationen gibt, sogar die Angst, dass bereits vor Mitte 2025 Schluss sein könnte in Saarlouis.

NEUE UNGEWISSHEIT: AUS FÜR SAARLOUIS BEREITS VOR 2025?
Eigentlich soll bis dahin noch der Ford Focus gebaut werden. Auch betriebsbedingte Kündigungen sind bis Mitte 2025 ausgeschlossen. Doch aktuell gibt es einen Bestellstopp für den Focus. "Die Orderbank bleibe weiter geschlossen", teilte der Betriebsrat Mitte des Monats den Beschäftigten mit. Offiziell begründe das Unternehmen dies mit den langen Wartezeiten bei Bestellungen.

Der Betriebsrat kritisiert das. Auch soll die Produktion in Saarlouis nach den Sommerferien gesenkt werden, von bisher 1000 auf 860 Autos pro Tag. Nach Aussagen der Arbeitnehmervertreter gibt es damit einen Personalüberhang von 500 Beschäftigen. Auch dazu wird es bei der Betriebsversammlung heute sicher Fragen geben. Ein freiwilliges Abfindungsprogramm ist derzeit ausgesetzt, das sorgt für zusätzliche Unruhe im Werk.

"NO STATEMENTS TODAY"
Auch ein Vertreter des Managements wird am Mittag vor Ort sein. Ob Ford-Deutschland-Chef Martin Sander zu den Beschäftigten spricht, wollte das Unternehmen auf SR-Anfrage nicht bestätigen.

Öffentlich hat sich Ford seit Monaten nicht zu der Situation in Saarlouis geäußert – Interviewanfragen wurden abgelehnt, auch heute wieder. "No statements today“" - das war der einzige Satz, den Kieran Cahill, Vizepräsident von Ford-Europa am Mittwoch der vergangenen Woche am Rande des Wirtschaftsausschusses öffentlich äußerte.

Die Sitzung im Landtag war durchaus mit Spannung erwartet worden, doch nach fast drei Stunden blieben Ernüchterung und teils auch Frust bei den Abgeordneten. Trotz Nachfrage habe es noch nicht einmal eine Antwort gegeben, ob tatsächlich bis 2025 Autos in Saarlouis gebaut werden, hieß es im Anschluss. Auch bei den Beschäftigten ist die Informationslage wohl überschaubar.

TASK FORCE "ZUKUNFT SAARLOUIS"
Inzwischen hat sich eine Task Force "Zukunft Saarlouis" gebildet, in der auch Managementangehörige aus Saarlouis mitarbeiten. Auch Gespräche mit einzelnen Beschäftigten sollen geführt worden sein. Der Betriebsrat beteiligt sich daran allerdings nicht. "Wir werden prüfen, wo Mitbestimmungsrechte zu verfolgen sind", so Markus Thal vergangene Woche im SR-Interview.

Das Ford-Management hatte sich nach SR-Informationen zuletzt am 7. Juli in einem Brief an die Beschäftigten in Saarlouis gewandt. Darin heißt es erneut, die Task Force sei beauftragt worden an folgenden Optionen zu arbeiten: langfristige Geschäftstätigkeiten von Ford in Saarlouis, das Betreiben des Werkes durch einen anderen Automobilhersteller oder eine Zusammenarbeit mit der saarländischen Landesregierung. „Auch hier sei man noch ganz am Anfang“, heißt es in dem Schreiben von Ford-Deutschlandchef Martin Sander.

LANDESREGIERUNG FORDERT KONKRETE AUSSAGEN BIS ANFANG SEPTEMBER
Seit der Entscheidung am 22. Juni soll es wöchentlich Gespräche zwischen der Landesregierung und Spitzenmanagern von Ford gegeben haben. Das Land ist bereit das Werk von Ford ganz oder auch in Teilen zu übernehmen. Interessenten die investieren wollten gebe es, versichert man. Doch dazu müsse das Land erstmal wissen, was Ford eigentlich will, so Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) zuletzt.

Er hat die Verhandlungen mit Ford übernommen. Bis September fordert die Landesregierung nun Klarheit in dieser Sache. Am 29. August enden die Werksferien bei Ford. Bleibt zu hoffen, dass es dann mehr Antworten auf die vielen offenen Fragen für die Beschäftigten gibt. Ein erholsamer Sommerurlaub dürfte es bis dahin für die meisten Mitarbeiter in Saarlouis wohl nicht werden.

Autorin: Yvonne Schleinhege, Sr-online
erschienen am  28.07.2022 | 06:30 Uhr
Quelle:
https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/politik_wirtschaft/weiter_ungewissheit_ford_100.html