
SAARBRÜCKEN | Es muss gehandelt werden, aber nicht so, wie es die SPD plant, und schon gar nicht mit einer solch hohen Neuverschuldung. So in etwa lässt sich die anderthalbstündige Diskussion beim kleinen Parteitag der Saar-CDU am Mittwochabend in Saarbrücken über die Regierungspläne für einen drei Milliarden Euro schweren Transformationsfonds für den Strukturwandel zusammenfassen. Oder, um es mit den Worten von CDU-Landeschef Stephan Toscani zu sagen: „Es geht nicht darum, nichts zu tun, sondern darum, das Richtige zu tun.“
„Das Richtige“ aus Sicht der CDU wäre: mehr Geld aus Brüssel und Berlin einwerben, mehr privates Kapital einsammeln, die Tilgung der Kredite nicht bis 2075 strecken, dem Landtag über einen eigenen Ausschuss eine stärkere Kontrolle bei der Verwendung der Mittel einräumen und das Investitionsniveau im Kernhaushalt in der Verfassung festschreiben, damit der Fonds durch Tricksereien nicht missbraucht werden kann, um SPD-Wahlversprechen zu finanzieren. Der CDU-Abgeordnete Roland Theis vermutete, den SPD-Abgeordneten gehe es nun darum, mit dem Fonds „die verhasste neoliberale Schuldenbremse“ zu umgehen. Der Finanzminister habe nicht die nötige „Hausmacht“, um das zu verhindern.
Die Landrätin des Kreises Merzig-Wadern und CDU-Landesvizechefin Daniela Schlegel-Friedrich traf den Nerv der rund 120 Parteimitglieder, als sie sagte: „Wir wissen einfach viel zu wenig, was mit der gigantischen Summe gemacht werden soll. Alle stellen sich blühende Landschaften vor und jeder, der das problematisiert und Fragen stellt, ist ein schrecklicher Mensch, der die Zukunft des Saarlandes verhindern will.“ Das Gegenteil sei der Fall. Schlegel-Friedrichs Fazit: „Ich habe kein gutes Bauchgefühl.“
Die Sorge vor einer Überforderung künftiger Generationen bestimmte die Debatte. Vize-Generalsekretärin Carolin Mathieu fragte: „Was ist, wenn die Zinsen weiterhin steigen und wir in 20 oder 30 Jahren nicht mehr in der Lage sind, die Zinsen zurückzuzahlen? Darüber hat noch niemand gesprochen.“
Der Justiziar der Saar-CDU, Markus Groß, forderte: „Der Transformationsfonds von drei Milliarden Euro muss erheblich eingedampft werden.“ Jeder Euro, der ausgegeben werde, müsse an Investitionen der Privatwirtschaft geknüpft werden. Der Landesvorsitzende der Jungen Union, Frederic Becker, regte einen „Generationenvorbehalt“ an: „Es muss geprüft werden: Ist jeder Euro, den man investieren will, tatsächlich nachhaltig und im Sinne generationengerechter Politik?“
Dem stellte Daniel Kempf (Mandelbachtal) ein anderes Verständnis von Generationengerechtigkeit gegenüber. „Jemandem kein Vermögen zu hinterlassen und dafür eine Ruinenlandschaft, hat mit Generationengerechtigkeit auch nichts zu tun.“ Die Schuldenbremse habe Investitionen verhindert, sagte der Leiter der Bau-Abteilung im Innenministerium. „Wir müssen uns Gedanken machen, ob wir hier nicht ein totes Pferd reiten.“
Widerspruch erntete Kempf jedoch für seine Warnung, Milliarden in die „Sterbebegleitung“ von im Niedergang befindlichen Branchen zu investieren. Der Dillinger Bürgermeister Franz-Josef Berg sagte, die Unterstützung der Stahlindustrie sei „ein sehr wichtiger Beitrag“ für künftige Generationen. Auch Landeschef Toscani bekannte sich explizit zu Hilfen für die Stahlindustrie.
Toscani machte deutlich, dass auch die CDU angesichts der Größe der Herausforderungen grundsätzlich bereit ist, in der aktuellen Situation Investitionen über Kredite zu finanzieren, wenn diese rentierlich seien. Allerdings schränkte er ein: nicht in dieser Dimension und nicht mit derart langen Rückzahlungs- und Tilgungsfristen.
Am ehesten ist die CDU bereit, Investitionen in die Transformation der Industrie über Notlagenkredite zu finanzieren. Davon trennen müsse man den Sanierungsstau im Land, besonders in den Kommunen. „Das hat mit einem exogenen Schock und einer Notlagensituation herzlich wenig zu tun. Das ist seit langem bekannt“, sagte Toscani. Hier werde die CDU bis November „intelligente Antworten“ geben, wie Investitionen möglich sind, ohne gegen die Schuldenbremse zu verstoßen.
Allerdings zeigte der für CDU-Verhältnisse ungewöhnlich diskussionsfreudige Parteitag auch: Gerade die Kommunalpolitiker fordern vom Land deutlich mehr Mittel gegen den Sanierungsstau. Im Transformationsfonds der Regierung sind nach ihren Worten von den 700 Millionen Euro, die für energetische Maßnahmen an öffentlichen Gebäuden vorgesehen sind, 100 Millionen für die Kommunen eingeplant – also zehn Millionen pro Jahr. Das sei ein „lächerlicher Betrag“, empörte sich Landrätin Schlegel-Friedrich, dann könne man es auch gleich ganz sein lassen.
INFO
FDP: Fonds ist wohl verfassungswidrig
Die FDP im Saarland hat verfassungsrechtliche Zweifel am kreditfinanzierten Transformationsfonds des Landes. „Der Transformationsfonds wäre von seinem Volumen her groß und würde neben dem Corona-Sonderfonds die Spielräume durch Zinsen und Tilgung für lange Zeit zu stark einengen“, sagte der Landesvorsitzende Oliver Luksic. Eine Tilgung von 2035 bis 2075 sei „nicht seriös“.
Luksic warf der SPD-Regierung vor, dass sie am Kernhaushalt und an der Schuldenbremse vorbei konsumtive Ausgaben tätigen will. Er fordert einen stärkeren Fokus auf Innovation. So aber habe der Fonds „mehr mit einem Gemischtwarenladen als mit erfolgreicher Transformation“ zu tun“.
Autor: DANIEL KIRCH SAARBRÜCKER ZEITUNG
erschienen am 07.10.2022 Seite B2
Quelle:
https://e-paper.saarbruecker-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/991497/10-11
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