
SAARBRÜCKEN | Stefan Nürnberger und sein Team zieht es nach Berlin. Vor zwei Jahren hat er zusammen mit Gleichgesinnten seine Firma Elexir aus dem Saarbrücker Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit (Cispa) heraus gegründet. Dort war er zuvor als Junior-Professor tätig. Warum Berlin? „Die Stadt ist derzeit das Mekka der Startup-Szene“, sagt er. Dies habe zur Folge, „dass dort potenzielle Investoren und Entscheider von Firmen regelmäßig vorbeikommen“. Solche Leute nach Saarbrücken zu holen, „ist schwierig“.
Elexir entwickelt Software für die Mobilität von morgen. Schon heute sind Autos fahrende Computer; viele Funktionen wie Beleuchtung, Heizung oder Sitzeinstellung werden digital gesteuert. Große Zulieferer versorgen die Autobauer mit entsprechenden Komponenten. Soll das Auto mit zusätzlichen Funktionen ausgestattet werden, „beginnt der Zulieferer erst mit deren Entwicklung“. Mit Elexir soll dies alles wegfallen. „Wir arbeiten darauf hin, dass die Funktionen eines Autos mit unserer Software nach Belieben angepasst werden können – ohne weitere Komponenten und zusätzliche Entwicklungsarbeit“, sagt Nürnberger. „Selbst Autos, die schon auf der Straße fahren, können mit einem Update von uns nachgerüstet werden – beispielsweise mit einem Notfallassistenten.“ Die Hersteller „sparen damit enorme Entwicklungskosten und können neue Modelle wesentlich schneller in den Markt bringen“, ist der Elexir-Chef überzeugt. Seinem Team arbeitet in die Hände, dass immer mehr Elektro-Autos auf den Straßen rollen sollen. „Dadurch fällt viel Mechanik weg, und wir können mit unserer Software noch besser punkten.“
Elexir hat künftig seinen Sitz im Drivery am Tempelhofer Hafen in Berlin. In den Räumen des Ullsteinhauses, wo einst Deutschlands größter Verlag untergebracht war, tummeln sich heute auf einer Arbeitsfläche von 10 000 Quadratmetern mehr als 130 junge und technologieorientierte Firmen (Start-ups). Im Drivery arbeiten sie ausschließlich an Innovationen für die Mobilität der Zukunft. „Hol das Maximum aus deiner Tätigkeit heraus, ohne dabei gestört zu werden“, heißt es in der Eigendarstellung. Dennoch „kannst du mit anderen kreativen Köpfen jederzeit zusammenkommen und kommunizieren“.
Für Elexir ist das „die ideale Umgebung“, erläutert Nürnberger. Denn die Zeit eilt. „In den kommenden fünf bis acht Jahren wird ein neuer Markt für die E-Mobilität entstehen und sich festigen“, sagt der 36-Jährige. „Wir wollen erreichen, dass wir ganz vorne mitspielen. Als einer unter vielen gehen wir unter.“ Außerdem sei es schwierig, gute Leute an die Saar zu locken. „Unser Team ist international – mit zwölf Frauen und Männern aus sechs Ländern.“ Jemanden nach Saarbrücken zu locken, sei mit viel Überzeugungsarbeit verbunden, „aber nach Berlin wollen sie alle“. Der Umzug in die Hauptstadt mit allem Drum und Dran – inklusive der beiden Testautos – soll bis zum Sommer abgeschlossen sein.
Dennoch will Nürnberger auf seine bisherige Heimat nichts kommen lassen. „Der Saarland Informatics Campus (SIC) ist Weltklasse“, sagt er. „Auch das Netzwerk und die Unterstützung bei der Firmengründung waren hervorragend.“ Geld erhielt das Unternehmen unter anderem vom IT-Inkubator, der jungen Start-ups hilft, auf die Beine zu kommen. Im Gegenzug ist diese Tochter der Max-Planck Innovation GmbH und der Universität des Saarlandes Wissens- und Technologietransfer GmbH (WuT) mit zehn Prozent an Elexir beteiligt. Darüber hinaus unterstützte das Bundeswirtschaftsministerium das junge Unternehmen aus dem Förderprogramm „Exist Forschungstransfer“. Diese Mittel und Investorengelder addieren sich bis dato auf 2,3 Millionen Euro. „Wir haben zudem erste Kunden, die uns Software-Pakete abkaufen und dafür bezahlen wollen“, sagt Nürnberger.
Umzugspläne wie Elexir hat bisher wohl kein weiteres Start-up. Doch Bernd Pohl, Landessprecher Saar des Startup-Verbands, weiß von jungen Saar-Firmen, die in Berlin eine Filiale gründen wollen, „damit Investoren eher auf sie aufmerksam werden“. Im Saarland sei es schwer, Geldgeber für eine Finanzierung zu finden. In Berlin gehe so etwas weitaus einfacher.
Dieser Aussage stimmt auch Ralf Zastrau zu. „Es ist schwierig, eine gute Finanzierung ins Saarland zu holen“, sagt der Geschäftsführer des IT-Inkubators. Ein zuverlässiger Investor sei bisher nur die Saarländische Wagnisfinanzierungs-Gesellschaft (SWG), an der unter anderem regionale Banken beteiligt sind. Sie hat derzeit mehr als 20 Beteiligungen in ihrem Portfolio und unterstützt Firmen mit einem Wagniskapital von bis zu zwei Millionen Euro.
Autor: LOTHAR WARSCHEID SAARBRÜCKER ZEITUNG
erschienen am 06.02.2023 Seite B3
Quelle:
https://e-paper.saarbruecker-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/996225/10-11
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