
Markus Thal, der Betriebsratsvorsitzende von Ford in Saarlouis, sagt von sich selbst, dass er ein optimistischer Mensch sei. »Ich glaube, dass wir eine Gesamtlösung hinbekommen«, erklärt der 53-Jährige mit Blick auf die Zukunft des Standortes. Doch eines ist für ihn auch klar: »Das wird nur gehen, wenn wir einen oder mehrere Investoren finden.« Und er dämpft hohe Erwartungen: »Selbst, wenn es eine Lösung für die meisten Menschen geben wird, ist nicht damit zu rechnen, dass 4500 Ersatzarbeitsplätze zur Verfügung stehen werden.«
Im Juni hatte Ford dem Werk Valencia den Zuschlag für die neue Elektroautoplattform gegeben. Damit ist das Ende für die Produktion des Massenmodells Ford Focus 2025 in Saarlouis besiegelt. Wut und Enttäuschung darüber sitzen tief bei den Beschäftigten. Zum Jahreswechsel blicken sie nach wie vor in eine ungewisse Zukunft: ein Entwicklungskonzept oder gar Abschlüsse mit Investoren liegen nicht vor.
Unverständliche Euphorie
Die Euphorie, wie sie das Wirtschaftsministerium noch bis vor Kurzem versprüht habe, habe er nie verstanden, sagt Thal. »Natürlich gibt es Interessenten. Aber noch ist nichts geklärt. Im Moment haben wir nur das, was erkämpft worden ist: Das sind 500 bis 700 verbleibende Ford-Arbeitsplätze. Viel zu wenig natürlich«, erklärt er. Aber es gebe Hoffnung, dass diese Zahl noch steigt.
Mit detaillierten Angaben hält man sich bei der Ford-Werke GmbH in Köln zurück: »Wir sind in Gesprächen mit dem Saarland, potenziellen Investoren und weiteren Stakeholdern. Unser Fokus liegt darauf, möglichst viele Arbeitsplätze in Saarlouis zu erhalten, sodass wir interne wie externe Projektideen intensiv prüfen und bewerten«, teilte eine Sprecherin mit.
In einem Schreiben an die Belegschaft in Saarlouis, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, bekräftigt Ford-Deutschland-Chef Martin Sander »die Zusage für 500 bis 700 Beschäftigte« in Saarlouis. Darüber hinaus beständen Beschäftigungsmöglichkeiten am Standort Köln »in nicht unerheblicher Anzahl«. Dort solle, so die Ford-Sprecherin, Ende 2023 das erste vollelektrische Volumenmodell vom Band laufen.
»Solch ein Arbeitsplatzwechsel eignet sich vielleicht für Einzelne: die ganz Jungen, die sehr flexibel sind, oder die Älteren, denen noch zwei Jahre an der Rente fehlen«, meint Markus Thal. Wie viele Kollegen ein solches Angebot tatsächlich in Anspruch nähmen, um die eigene berufliche Zukunft zu sichern, ließe sich noch nicht sagen. In einer Betriebsvereinbarung solle nun geklärt werden, wie ein solcher Übergang gestaltet werde. Im Januar soll die Vereinbarung stehen. Doch auch, wenn die dann gefundene Lösung in Ordnung sei, ist für Thal klar: »Es kann immer nur ein Teil der Gesamtlösung sein.«
Einige Interessenten haben sogar den Standort besucht
Laut Ford-Chef Martin Sander habe man »seit Beginn der Arbeit an der Zukunft des Werks« mit 15 potenziellen Investoren gesprochen – darunter acht Automobilhersteller und sieben andere Unternehmen. Einige hätten nicht nur Interesse bekundet, sondern auch den Standort besucht – zum Teil sogar mehrfach, teilte er der Belegschaft mit. Aktuell gebe es jedoch noch keinen Käufer oder Interessenten, bei dem man in weiterführende Verhandlungen eintreten könne.
Nach Meinung von Saar-Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) ist der Standort in Saarlouis »hochattraktiv für Investoren aus der ganzen Welt«. Aktuell stehe man mit 15 Investoren »in intensiven Verhandlungen«. »Wir konzentrieren uns hierbei aktuell auf drei Stränge: klassische Automobilproduktion, modulare Produktion sowie Energie- und Kreislaufwirtschaft.« Es gehe bei der Neuausrichtung des Standortes vor allem um die Arbeitsplätze und die Sicherstellung einer nachhaltigen Beschäftigung für große Teile der Belegschaft.
Anfang September hatten sich Ford und die saarländische Regierung auf Eckpunkte für die Zusammenarbeit geeinigt. Dem Land soll ein Zugriff auf das 100 Hektar große Gelände vor dem Auslaufen der Ford-Focus-Produktion 2025 ermöglicht werden. Mit Ford sei man parallel dazu gerade in der »Finalisierung« des Kaufvertrages, so Barke. »Wir gehen aktuell davon aus, dass wir die Verträge im ersten Quartal unterzeichnen, nachdem sich das Unternehmen mit dem US-Mutterkonzern abgestimmt hat.«
In einem gemeinsamen Lenkungsausschuss sollen potenzielle Investoren definiert werden, um einen schnellen Übergang zu ermöglichen. Auch die Arbeitnehmervertreter sollen in einen solchen »Filterprozess« einbezogen werden, hieß es damals. »Wir werden hier im Werk beteiligt«, bestätigt Markus Thal. Fakt sei jedoch auch, dass nach den ersten Bestandsaufnahmen noch kein Abschluss auf dem Tisch liege. »Bislang ist noch alles offen und es gibt leider noch keine Zusage.«
Am Ende des Tages jedoch könne man in der Staatskanzlei abschließen, was man wolle: »Der Investor muss sich mit dem Betriebsrat und den Gewerkschaften unterhalten«, unterstreicht Thal. »Zum Schluss werden wir oder die Beschäftigten selbst gefragt, ob wir zustimmen oder nicht. Das wird nicht die Politik entscheiden.«
Autor: mamk/dpa-AFX
erschienen am 27.12.2022, 16.28 Uhr, Spiegel-online
Quelle:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/ford-saarlouis-4500-arbeitsplaetze-weiter-in-der-schwebe-a-28b9f21b-efe6-4259-b000-b8deff88ff06
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