Weiter Weg, bis Schulen bereit für G9 sind

09.08.2022

Im Schulentwicklungplan des Landkreises, vom Kreistag im Juli beschlossen, wurden erste Überlegungen zur G9-Rückkehr deutlich. 

MERZIG-WADERN |Der Schulentwicklungsplan für den Landkreis Merzig-Wadern war so gut wie fertig, als die Nachricht kam, dass an den Gymnasien im Land wieder G9 eingeführt wird. Zwar deckt der Plan die Jahre 2022 bis 2027 ab, auf die die Wiedereinführung keine direkte Auswirkung hat. Da aber erhebliche bauliche Veränderungen und Investitionen erforderlich sein werden, um G9 abzubilden, gab es früh erste Gespräche zwischen dem Kreis als kommunalem Schulträger und den drei Gymnasien, die betroffen sind: das Hochwaldgymnasium (HWG) in Wadern sowie das Peter-Wust-Gymnasium (PWG) und das Gymnasium am Stefansberg (GaS) in Merzig. Erste Prognosen wurden im Schulentwicklungsplan angerissen, den der Kreistag Mitte Juli beschloss, einiges blieb offen. Im Gespräch mit der SZ hat Landrätin Daniela Schlegel-Friedrich zu den bisherigen Planungen Stellung bezogen.

Mittlerweile steht fest: Ab dem Schuljahr 2029/2030 muss eine komplette zusätzliche Klassenstufe an den drei Gymnasien untergebracht werden – je nach Standort zwischen 80 und 150 Schülerinnen und Schüler. Das ist am Hochwaldgymnasium „vergleichsweise unproblematisch“, sagt die Landrätin. Zwar können die zusätzlichen Schüler unter den aktuellen räumlichen Gegebenheiten nicht aufgenommen werden. Die Lösung hierfür ist nach Angaben der Landrätin allerdings am klarsten: Der aktuell ungenutzte Pavillon auf dem HWG-Gelände, der ursprünglich aufgegeben werden sollte, soll saniert werden. Dadurch stünden vier bis fünf zusätzliche Klassenräume zur Verfügung. Schlegel-Friedrich rechnet hier mit Investitionen von mindestens 500 000 Euro.

Großen Handlungs- und Investitionsbedarf in Sachen G9 sieht die Landrätin beim Gymnasium am Stefansberg. Die räumlichen Kapazitäten werden nach ihren Worten keinesfalls ausreichen, um die zusätzliche Klassenstufe aufzunehmen. Eine Lösung ist in Sicht – diese gestaltet sich jedoch aufwendig: Angedacht ist, die Erzieherklassen des direkt gegenüber liegenden Berufsbildungszentrums Merzig vom Standort in der Waldstraße in die Von-Boch-Straße zu verlegen – dort, wo das BBZ bereits jetzt mit einem zweiten Gebäude präsent ist. Zuerst aber muss die dafür erforderliche Infrastruktur in der Von-Boch-Straße geschaffen werden.

Die Landrätin holt aus: Das Gebäude, in dem einst die Merziger Realschule untergebracht war, steht teilweise leer. Ein Teil wird vom Berufsbildungszentrum genutzt. Da aber auch die Christian-Kretzschmar-Schule Raumbedarf gemeldet hat, überlege man, den gesamten Schulstandort neu zu entwickeln. Hierfür war bereits ein Architektenwettbewerb angedacht, in den nun auch die Verlegung der Erzieherklassen eingebunden werden soll. Ob die erheblichen Mängel an der jetzigen Bausubstanz behoben werden können oder das Gebäude abgerissen und neu gebaut wird, sei noch offen. Ziehen die Erzieherklassen um, werden im BBZ-Gebäude in der Waldstraße mindestens vier Räume frei, die das GaS nutzen kann. Allerdings erfolge die Umsetzung frühestens ab 2025. Und die Landrätin weist auf eine weitere Herausforderung hin: Die Arbeiten erfolgen im laufenden Schulbetrieb.

Die meisten offenen Fragen gibt es beim Peter-Wust-Gymnasium. Zwar sei es möglich, mit dem jetzigen Raumangebot in G9 zu starten – dauerhaft werden die Räumlichkeiten aber nicht ausreichen. Für kritische Reaktionen hatte folgende Passage im Schulentwicklungsplan gesorgt: „Die Schaffung zusätzlicher Räume ist am Standort derzeit nicht abbildbar.“ Dazu heißt es aus dem PWG-Umfeld, dass es durchaus Möglichkeiten gebe, mehr Räume zu schaffen. Entweder indem der Neubau der Sporthalle am Hang aufgestockt wird, oder indem ein angrenzendes Grundstück erworben und bebaut wird. Überlegungen, die auch die Landrätin gegenüber der SZ in Betracht zieht. Mit den Einzelheiten habe man sich noch nicht beschäftigt. „Klar ist, dass wir auch hier erheblich investieren müssen.“ Die umstrittene Formulierung im Schulentwicklungsplan verteidigt die Landrätin. Da der Plan in erster Linie an die Schulaufsichtsbehörde adressiert sei, werde für diese sichtbar, dass Handlungsbedarf besteht.

Die bisherigen Überlegungen betreffen ausschließlich die Klassenräume, stellt Schlegel-Friedrich klar. Darüber hinaus sei an allen Schulen zu klären, ob die Kapazität an Funktionsräumen und Sporthallen ausreicht. Problematisch seien dabei nicht nur die erhöhten Schülerzahlen. Mit der Einführung von G9 verlagere sich die Unterrichtszeit, tendenziell fallen am Nachmittag Stunden weg. Aber insbesondere für den naturwissenschaftlichen Unterricht seien die Funktionsräume erforderlich. Auch die Mitteilung seitens des Landes, dass Informatik als Pflichtfach ab Klassenstufe 7 eingeführt wird, wirft für die Landrätin Fragen auf: Soll der Unterricht über die Tablets laufen, die flächendeckend an den Schulen eingeführt wurden? Oder werden die Computerräume, die gerade abgeschafft wurden, wieder benötigt?

Zu den zentralen Fragen zählt Schlegel-Friedrich die Finanzierung. Das Bildungsministerium erfasse mit Unterstützung der Landkreise, mit welchem Investitionsvolumen zu rechnen ist. Die Bringschuld sieht die Landrätin bei der SPD-Landesregierung, die schon kurz nach der Wahl Anfang Mai die Rückkehr zu G9 beschlossen hatte. „Unsere Erwartungshaltung ist, dass die Kosten zu 100 Prozent übernommen werden“, sagt Schlegel-Friedrich. Für die anstehenden Vorhaben sei der Schulentwicklungsplan übrigens nicht bindend. Wenn innerhalb der fünf Jahre, die der Plan umfasst, akuter Handlungsbedarf bestehe, würden die Investitionen auf den Weg gebracht, betont die Landrätin.

Autorin : VON RUTH HIEN SAARBRÜCKER ZEITUNG
erschienen am 09.08.2022 Seite C1
Quelle:
https://e-paper.saarbruecker-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/989197/14-15