Mehr Mitsprache für den Ford-Betriebsrat

26.01.2023

Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertretung im Ford-Werk Saarlouis haben sich grundsätzlich darauf verständigt, welche Kriterien potenzielle Investoren erfüllen müssen.

Die Unruhe unter den Ford-Beschäftigten in Saarlouis ist weiter groß. Wird es einen oder mehrere Investoren geben, die das Ford-Gelände kaufen wollen? Über mögliche Details herrscht derzeit eisernes Stillschweigen unter allen Beteiligten, auch, um laufende Verhandlungen nicht zu gefährden. Betriebsratschef Markus Thal stellt gegenüber der Saarbrücker Zeitung jedoch klar, dass bei allen Überlegungen und Verhandlungen die Beschäftigten im Vordergrund stehen müssen. Deshalb hat sich der Betriebsrat jetzt in einer „Prozessvereinbarung“ mit der Geschäftsleitung mehr Mitsprache und Kommunikation im Auswahlprozess gesichert. Im Kern regelt diese Vereinbarung Details, wie sich die Durchführung und Umsetzung möglicher nachfolgender Zukunftsoptionen am Standort Saarlouis gestalten.

Die „Prozessvereinbarung“ regelt drei Optionen: Ansiedlung Ford-interner Geschäftsmodelle beziehungsweise Arbeitsplätze in Saarlouis. Ein Detail, an dem Ford selbst maßgeblich beteiligt ist. Die beiden anderen Optionen regeln Einzelheiten möglicher Versetzungen nach Köln beziehungsweise einen Verkauf oder Teilverkauf an Investoren. Wie es hierzu in der Information des Betriebsrates an alle Beschäftigten weiter heißt, werde mit diesem Vorgang die entsprechende gesetzliche Mitbestimmung konkretisiert. Zugleich bestehe zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat ein gemeinsames Verständnis, dass im laufenden Auswahlprozess ein belastbares und zukunftsweisendes Geschäftskonzept den Kern aller Verhandlungen ausmachen müsse. Dies solle sicherstellen, dass ein möglicher Investor auch ein nachhaltiges Geschäftskonzept vorweist.

Zugleich betont Betriebsratschef Thal, dass die erst jüngst mit dem Standort Köln abgeschlossene Vereinbarung über alternative Arbeitsplätze in der Produktion für Ford-Beschäftigte aus dem Werk Saarlouis weiter Bestand hat. Die Produktion in Köln sei von dem Personalabbau in einer Größenordnung von voraussichtlich rund 3200 Beschäftigten nicht betroffen. Allerdings bedeutet diese Zahl alleine in der Produktentwicklung mehr als eine Halbierung der bisherigen Belegschaft. Die Maßnahmen beträfen nur die Bereiche Entwicklung und Verwaltung.

In der Produktion im Kölner Werk werde dagegen Personal für den Anlauf neuer Elektrofahrzeuge benötigt. Nach Angaben von Thal entsteht dadurch auch Bedarf für mehrere hundert Mitarbeiter aus Saarlouis, die nach Köln wechseln können. „Zudem ist zu einem späteren Zeitpunkt für dieses Auto zum Hochfahren auch eine dritte Schicht geplant“, betont Thal, der mittlerweile 35 Jahre im Unternehmen ist und die vom Ford-Spitzenmanagement betriebene Strategie nicht mehr mit vollziehen kann.

Nach allem, was man jetzt erlebt habe, vom Bieterwettbewerb zwischen Valencia und Saarlouis, der Schließung des saarländischen Werks sowie den jüngsten Entwicklungen in Köln, müsse man davon ausgehen, dass sich Ford offensichtlich in Raten aus Europa zurückzieht. Die radikalen personellen Einschnitte in der Produktentwicklung in Köln „bedeuten praktisch einen Ausverkauf. Die Entwicklung ist die Herzkammer des Unternehmens. Diese nicht mehr zu betreiben oder sie in die USA zu verlegen bedeutet nichts anderes als den kompletten Kompetenzverlust“, beklagt Thal. Das ganze Dilemma habe schon 2019 im Werk Saarlouis begonnen. „Erst wurde der C-Max aus der Produktion genommen, dann die Nachtschicht beendet. Und dann wurden auch noch zwei Standorte gegeneinander ausgespielt. Dazwischen hat das Management in Europa komplett aufgeräumt und auch noch Werke in England und Frankreich geschlossen. Und schließlich dann die Vorgänge in Köln. Dahinter könnte man einen Plan vermuten.“

Zudem seien ja auch die bereits geplanten Investitionen in Valencia noch einmal verschoben worden. „Wenn sie überhaupt kommen, dann ein Jahr später.“ Man wisse aus heutiger Sicht nicht einmal, ob in Valencia überhaupt noch ein Elektroauto produziert werden wird. „Es kommt zumindest ein Jahr später.“ Aus Saarlouiser Sicht habe der Betriebsrat nicht zuletzt nach diesen Vorgängen in Spanien in Richtung des Ford-Spitzenmanagements sehr kritische Fragen gestellt. Und keinerlei Antworten bekommen, kritisiert Betriebsratschef Thal. „Man könnte hinter all dem einen Plan vermuten“, sagt er.

Möglicherweise setze Ford künftig nur noch auf Amerika und wolle dort auch die Fahrzeuge entwickeln. Verständlich sei das nicht, denn gerade die in Europa und in Deutschland hergestellten Ford-Fahrzeuge seien bisher von einer besonders hohen Qualität gewesen.

Autor: THOMAS SPONTICCIA SAARBRÜCKER ZEITUNG
erschienen am 26.01.2023 Seite B2
Quelle:
https://e-paper.saarbruecker-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/995819/10-11