Kommunen können sich mehr Geld abschminken

12.04.2023

Weitere finanzielle Entlastungen will der Bund nicht mehr leisten. Das sagen die Bürgermeister dazu.

SAARBRÜCKEN |Die 52 saarländischen Städte und Gemeinden können sich über eine mögliche Entschuldung durch den Bund hinaus keine Hoffnungen mehr auf weitere finanzielle Entlastungen aus Berlin machen. Auch das Land kann seine Hoffnungen auf zusätzliche Hilfen begraben. Das wird im aktuellen Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums deutlich, einer Veröffentlichung, die bislang vor allem unter Fiskal-Nerds bekannt ist.

„Damit der Bund seine originären Aufgaben im Rahmen der regulären Obergrenzen der Schuldenregel erfüllen und die enormen Herausforderungen der Zukunft stemmen kann, sind weitere Entlastungen der Länder und Kommunen durch den Bund nicht mehr leistbar.“

Dieser Satz ist es, der Bürgermeister und Landräte ärgern dürfte. Zu seinen originären Aufgaben des Bundes zählt das Bundesfinanzministerium vor allem die Stärkung der Bundeswehr, den Klimaschutz und die Digitalisierung.

Die Begründung des Bundesfinanzministeriums lautet: Die föderalen Finanzbeziehungen seien im Ungleichgewicht: Der Bund sei mit hohen Defiziten „strukturell in einer angespannteren Lage“ als Länder und Kommunen, die zuletzt Überschüsse erzielt hätten.

Richtig daran ist: Der Bundeshaushalt wies 2020 bis 2022 gewaltige Defizite auf, während Länder und Kommunen Überschüsse erwirtschafteten. Das gilt aber nicht für das Saarland.

Dass der Bund finanziell schlechter da steht als Länder und Kommunen, führt er auf massive Entlastungen zurück, die er für Länder und Kommunen beschlossen hatte. Zudem habe der Bund die Krisenbewältigung während Corona und nach dem russischen Angriff auf die Ukraine überwiegend allein gestemmt. Allein für 2023 beziffert das Ministerium die Finanztransfers für ausgewählte finanzielle Entlastungen auf knapp 54 Milliarden Euro.

„Neue Forderungen der Länder und Kommunen nach weiterer Entlastung durch den Bund können angesichts der angespannten Haushaltslage des Bundes nicht mehr erfüllt werden“, so die apodiktische Schlussfolgerung des Hauses von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Auf Nachfrage versicherte ein Sprecher Lindners, dass die Bundesregierung grundsätzlich weiterhin zu einer Entschuldung der Kommunen bereit sei.

Dass der Bund sich stark engagiert, ist unbestritten. So erhöhte er 2020 seine Beteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung für Hartz-IV-Bezieher (heute Bürgergeld), er bezuschusst den Kita-Ausbau und die Digitalisierung der Schulen. Die Mittel für den öffentlichen Nahverkehr wurden erhöht, auch für den Gigabitnetzausbau gibt es Geld aus Berlin, ebenso für den sozialen Wohnungsbau und für die Aufnahme von Flüchtlingen.

Der Saarländische Städte- und Gemeindetag (SSGT) sieht als eine Ursache der vom Bund beklagten „Schieflage“ zwar ebenfalls die Reaktion auf Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg. Eine solch kraftvolle und rasche Reaktion habe aber nur der Bund leisten können. „Wären diese insbesondere auf die kommunale Ebene voll durchgeschlagen, wäre der gesellschaftliche Zusammenhang vor Ort in den Städten und Gemeinden in den Krisen gefährdet gewesen“, sagt SSGT-Geschäftsführer Stefan Spaniol.

Er nennt einen weiteren Grund: Die Bundespolitik mische seit Jahren bei Aufgaben der Länder und Kommunen mit, setze neue und höhere Standards und erweitere das Leistungs- oder Aufgabenspektrum wesentlich.

„Jüngste Beispiele hierfür sind die Einführung des Rechtsanspruches auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler oder die Einführung des 49-Euro-Tickets“, sagt Spaniol. Diese neuen Aufgaben seien aber, wie man am 49-Euro-Ticket oder am Ausbau der Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich aktuell sehen könne, durch Bund und Land nicht ausreichend finanziert.

Insofern sei das derzeitige, im Vergleich zum Bund positivere Bild der kommunalen Finanzen „nur eine Momentaufnahme“. Der Bund gebe viel Geld aus, um politische Versprechungen von Bund und Ländern zu erfüllen, die Umsetzung obliege dann aber oftmals den Kommunen, die bei der Entscheidungsfindung gar nicht gefragt würden. „Das Prinzip ‚Den Letzten beißen die Hunde‘ kann so nicht weiter gehen“, sagte Spaniol. Die saarländischen Bürgermeister pochen abermals auf die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland.

Autor: DANIEL KIRCH SAARBRÜCKER ZEITUNG
erschienen am 12.04.2023 Seite B3
Quelle:
https://e-paper.saarbruecker-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/998739/10-11