Fordmitarbeiter kämpfen um ihre Zukunft

26.09.2022

Der Einladung eines Solidaritätsfests der IG Metall folgten am Samstag mehrere Tausend Menschen. Sie kämpfen für die Fordmitarbeiter aus Saarlouis, deren Zukunft sehr unsicher ist.

SAARLOUIS | „Zukunft oder Widerstand“ – unter diesem Motto wollen der Betriebsrat und die Gewerkschaft in den kommenden Monaten in den Kampf um die Arbeitsplätze am Saarlouiser Röderberg ziehen. Das wurde auf dem großen Solidaritätsfest deutlich, das die Verwaltungsstelle Völklingen der Gewerkschaft IG Metall mit ihren Mitgliedern und Vertrauensleuten am Samstag vor dem Saarlouiser Ford-Werk veranstaltete. Rund 6500 Menschen waren Gewerkschaftsangaben zufolge der Einladung mit ihren Familien gefolgt. Dass es ihnen ernst ist, verdeutlichten die IG Metall-Mitglieder, als sie ein 128 Quadratmeter großes Transparent entfalteten, auf dem die neue Losung – „Zukunft oder Widerstand“ – in großen roten Lettern auf weißem Grund prangte.

Mehr als 6000 Jobs drohen in dem Industrieareal am Stadtrand von Saarlouis verloren zu gehen, weil der US-Autobauer Ford dort nur bis 2025 Autos bauen will. Seit mehr als 50 Jahren laufen dort Autos vom Band. Bei Ford selbst gehen rund 4600 Frauen und Männer einer ungewissen Zukunft entgegen, im angrenzenden Zulieferpark sind es weitere 1500.

Der Betriebsratsvorsitzende des Saarlouiser Werks, Markus Thal, machte deutlich, „dass wir Ford nicht aus der Verantwortung entlassen“. Die Manager des Autobauers „kommen nicht aus der Klammer. Wir werden das Thema stressen“, versprach er. Auch der 1. Bevollmächtigte der IG Metall-Verwaltungsstelle Völklingen, Lars Desgranges, forderte von Ford „eine Perspektive für die Mitarbeiter und ihre Familien“ ein. Das Schicksal einer ganzen Region stehe auf dem Spiel. Eine Milliarde Euro an Kaufkraft und Wohlstand drohe verloren zu gehen. „Daher lassen wir uns nicht spalten, sondern werden weiter zusammenstehen“, versprach er. Dies sei auch der Sinn dieses Solidaritätsfestes gewesen, mit dessen Verlauf Desgranges „durch die Bank zufrieden ist“, wie er am Sonntag bilanzierte.

Dass es ohne Ford mit der Stadt Saarlouis und der Region bergab geht, befürchtet auch Michael Leinenbach, Betreiber der Saarlouiser Altstadt-Kneipe Black Out. „Wer kein Geld hat, kann auch keines ausgeben. Das werden Handel, Handwerk, Gastronomie und viele andere schmerzhaft zu spüren bekommen.“

Doch das Solidaritätsfest sollte auch „ein Signal senden, dass viele Tausende von Menschen entschlossen sind, zu kämpfen und ihr Schicksal in die Hand zu nehmen“, sagte Desgranges. Diese Geschlossenheit geht allerdings über Saarlouis hinaus. Das betonte Benjamin Gruschka, Vorsitzender des deutschen Ford-Gesamtbetriebsrats und des Betriebsrats bei Ford in Köln. Er versicherte während des Solidaritätsfests, „dass wir nicht nachlassen werden, um die Arbeitsplätze der Saarlouiser Kollegen zu kämpfen“. Die Werke in Köln und an der Saar „lassen sich nicht auseinanderdividieren. Denn Geschlossenheit und Solidarität haben uns stark gemacht“. Auch Gruschka vertrat die Ansicht, dass Ford „nicht aus der Verantwortung für Arbeitsplätze in Saarlouis entlassen werden darf“. Ebenfalls nicht aufgeben wollen die 1500 Mitarbeiter im Industriepark, deren Arbeitgeber meist zu 100 Prozent von Lieferungen in das Ford-Werk abhängig sind. Das betonte Joachim Szygula, Betriebsratsvorsitzender des Zulieferers Magna, der im Industriepark einen Ableger hat. „Die Leute im Autowerk und ihre Kollegen im Industriepark haben Ford gemeinsam groß gemacht“, sagte er. „Daher werden wir auch zusammen kämpfen und siegen – oder wir gehen zusammen unter.“

Dass die Beschäftigten verzweifelt sind, bestätigt Toni Gagliardi, der im Ford-Werk im Rohbau tätig ist. „Wir hängen alle in der Luft, das Ungewisse macht uns verrückt“, sagt er. „Früher hat man uns gesagt, dass die Mitarbeiter das höchste Gut des Unternehmens sind. Sind wir denn heute nichts mehr wert?“ Myrjam Schmitt, die früher auch bei Ford arbeitete und immer noch viele Freunde im Werk hat, sagt, „dass sich in den Familien richtige Dramen abspielen. Wut, Trauer, Verlustängste, vieles kommt dort zusammen.“ Dennoch, Gagliardi organisierte mit seinem Ford-Freundeskreis ein Oldtimer-Treffen für das Solidaritätsfest. Da standen sie, die Schätzchen mit dem Ford-Pflaumenlogo – egal ob Escort, Capri, Sierra, Mustang oder der Ur-Fiesta. Nicht alle stammten aus Saarlouis – aber egal.

Zu dem Fest war auch viel politische Prominenz erschienen, von der Landesregierung unter anderem die Minister Jürgen Barke (Wirtschaft), Reinhold Jost (Inneres) und Magnus Jung (Soziales) sowie Sozial-Staatssekretärin Bettina Altesleben (alle SPD). Auch der Saarlouiser Landrat Patrik Lauer und Peter Demmer, Oberbürgermeister der Stadt (beide SPD), zeigten, dass ihnen die Anliegen der Ford-Leute am Herzen liegen. Musikalisch ging es rockig-fetzig zu – unter anderem mit den Bands „The Beavers“, „Gunther Sanwald & Band“ und „Versengold“.

Autor: LOTHAR WARSCHEID Saarbrücker Zeitung
erschienen am 26.09.2022 Seite B1
Quelle:
https://e-paper.saarbruecker-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/991081/8-9