Auf der Pirsch gleich neben der Kaserne

11.01.2023

Auf der Ell in Merzig hat die Jagd etwas Eigenes, denn hier gelten andere Regeln. Und außerdem ist Hündin Frieda mit dabei.

Was ein „befriedeter Bezirk“ ist, muss man keinem Jäger erläutern. Jeder Jagdausübungsberechtigte weiß, dass auf solchen Flächen wie Einzelgehöften oder Friedhöfen selbst im eigenen Revier bis auf wenige Ausnahmen die Jagd ruht. Das gilt natürlich auch für den in Saarlouis stationierten Berufssoldaten Jürgen Auweiler aus Merzig, der sich mit dem 87-jährigen Jagdfreund Hubertus Padeberg die Jagd rund um die Kaserne des Fallschirmjägerregiments 26 Auf der Ell in Merzig teilt.

Außenstehende mögen sich wundern, dass dort beispielsweise eine Schießbahn der Soldaten als „befriedeter Bezirk“ eingestuft ist, wo jagdliche Munition – anders als die militärische Variante – nicht verschossen werden darf. Aber das ist längst nicht die einzige Besonderheit in seinem Jagdrevier rund um die Kaserne, auf die Auweiler die SZ bei einem Ausflug durch den militärischen Sicherheitsbereich auf dem Merziger Kreuzberg aufmerksam machte.

Anders als andere Revierinhaber außerhalb des Kasernenbereichs musste er uns als Besucher vorab beim Standortältesten anmelden. Mit Auweilers Geländewagen geht es dann vom Besucherparkplatz aus raus in das etwas andere Jagdrevier. Auf dem Rücksitz freut sich die junge Hündin Frieda (Bayrischer Gebirgsschweißhund), die von ihm gerade behutsam als Schweißhund ausgebildet wird, auf die Fahrt in das ihr bereits bestens vertraute Revier. Von einer öffentlichen Straße biegen wir wenig später auf einen Wirtschaftsweg ab. Rechts von uns trennt ein stabiler Zaun die dahinter sichtbare Kaserne von der vor uns liegenden Freifläche, die so frei eigentlich gar nicht ist.

Ein gut sichtbares Schild spricht eine klare Sprache: „Militärischer Sicherheitsbereich … Schieß- und Übungsbetrieb … Unbefugtes Betreten des Platzes ist verboten und wird strafrechtlich verfolgt!“ Auweiler weiß aber aus Erfahrung: „Immer wieder beziehen Unbefugte diesen eigentlich unmissverständlichen Hinweis allein auf den eingezäunten Bereich. Die werden dann von mir mit freundlichen Worten auf ihren Irrtum hingewiesen. Wer dagegen im Sicherheitsbereich von Feldjägern (Militärpolizei) angetroffen wird, der muss mit einer Anzeige rechnen.“

Das droht uns ja zum Glück nicht. Bei der Weiterfahrt durch die rund hundert Hektar große, von ihm bejagbare Fläche lösen sich schöne Wiesentäler und waldbestandene Hänge ab, wo nur gelegentlich Schießbahn-Markierungen mit militärischer Nutzung rechnen lassen. Sobald aufgebrochene Wiesen auf die nächtliche Anwesenheit von Schwarzwild schließen lassen, spricht der Jagdherr seine Hauptaufgabe an: „Die Vermeidung von Wildschäden und unsere Bemühungen um eine intakte Natur spielen hier für uns eine wichtige Rolle, aber die militärische Nutzung dieses Standorts genießt hier natürlich die oberste Priorität.“ Das bedeute zum Beispiel, dass Auweiler seine fahrbaren Kanzeln sofort wegfahren muss, wenn an ihrem Standort Soldaten Schießübungen planen.

Neben einem fast zugewachsenen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg rollt wenig später das Auto aus. Jetzt bekommt Frieda ihren Auftritt. Der Merziger bildet dort zurzeit seine junge Hündin zu einem Schweißhund aus: „Ohne qualifizierten Hund ist jede Jagd Schund!“

Egal, ob ein Wildtier von einem Auto angefahren und verletzt wird, oder ob es durch einen unglücklichen Schuss aus einem Jagdgewehr verwundet wird – allein die erfolgreiche Nachsuche mit einem Schweißhund könne ihm weitere Qualen ersparen.

So lässt Auweiler Frieda an einem zugewiesenen Platz verharren, während er einen fingierten Verletzungsort untersucht. Dann bekommt der Vierbeiner die vertraute Nachsuchenleine, und die Suche kann beginnen. Diesmal natürlich ohne Erfolg.

Wenig später parkt der Wagen in einer riesigen Streuobstfläche, in der Auweiler rund 300 Obstbäume pflegt: „Das ist ein weiterer Beitrag zum Landschafts- und Naturschutz in unserer Jagd, bei dem auch meine Frau kräftig mit anpackt. Vor allem beim ebenso kräfteraubenden wie unverzichtbaren Entfernen der Misteln, die sonst über kurz oder lang den Tod der Bäume bedeuten würden, bin ich für jede Hilfe dankbar.“

Andererseits könne er sich aber auch an tolle Morgen- oder Abendansitze im Revier erinnern, wenn er, seine Frau und natürlich Frieda von einem Hochsitz aus unvergessliche Sonnenauf- und -untergänge in traumhafter und friedlicher Natur gleich neben der Kaserne erleben durften: „Dazu war längst nicht immer das ansonsten vom Jäger erhoffte Waidmannsheil vonnöten.“

Und als hätte es noch eines Beweises bedurft, dass sein passioniertes Waidwerk einen Beitrag zum effektiven Naturschutz leistet, flattern beim Zurückgehen zum Auto plötzlich zwei Feldlerchen davon. Das freut den Jäger: „Von dieser bei uns im Saarland vielerorts selten geworden Art fühlen sich relativ viele in unserem Revier wohl. Unser jagdliches Hauptaugenmerk richtet sich hier auftragsgemäß natürlich neben der gesamten Fauna und Flora vor allem auf das Reh- und Schwarzwild, deren Bestände in dem Habitat angemessenen Zahlen gehalten werden sollen. Das gilt natürlich in unserem zur Kaserne gehörenden Revier ebenso wie für alle anderen Reviere.“

Autor: DIETER ACKERMANN Saarbrücker Zeitung
erschienen am 11.01.2023 Seite C3
Quelle:
https://e-paper.saarbruecker-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/995207/16-17