
BECKINGEN/DÜPPENWEILER | Über die geplante Windkraftanlage in Düppenweiler hat die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) am Mittwochabend in der Deutschherrenhalle in Beckingen informiert. Bürgermeister Thomas Collmann fasste eingangs die bisherigen Eckdaten zusammen. „Begonnen hat das Projekt bereits mit der Ausweisung einer Windkonzentrationszone im Jahr 2014 im Gemeindebezirk Düppenweiler.“ Weitere Planungen scheiterten (siehe auch unsere Infobox).
2020 legte die EnBW eine neue Planung für eine Anlage mit einer Gesamthöhe von 245 Metern auf einer unbewaldeten Fläche vor. Verzögert durch die Corona-Pandemie und einen Wechsel des EnBW-Sachbearbeiters, informiere man nun über die Planungen. „Ich wünsche mir heute Abend eine sachlich geführte, ruhige und respektvolle Präsentation samt Austausch, damit alle noch offenen Fragen auf Sachebene diskutiert werden können“, sagte Collmann. Das war über weite Strecken auch gegeben, nur gelegentlich rasselten Windkraftkritiker und Investoren aneinander.
Christian Buntzel, Projektleiter für Windendenergie bei der kooperierenden Gesellschaft für alternative ingenieurtechnische Anwendungen (Gaia), wies zunächst darauf hin, dass man mit EnBW einen verlässlichen Partner habe. Das Unternehmen sichere zu, den Betrieb für 20 Jahre zu übernehmen und die geplante Windkraftanlage nicht zu verkaufen. Diese habe eine Nabenhöhe von 164 Metern, eine Gesamthöhe von 245 Metern, einen Rotoren-Durchmesser von 163 Metern und eine Leistung von 5,7 Megawatt. Buntzel ging auf gängige Kritikpunkte ein: Der Abstand zu Düppenweiler betrage mindestens 1000 Meter, Schutzgebiete würden nicht berührt. Den nächsten Horst eines Rotmilans habe man bei der Begutachtung 2019 drei Kilometer entfernt gefunden, am geplanten Standort habe man keine Flugbewegung ausmachen können. Die Schallausbreitung liege an den Ausläufern von Düppenweiler maximal im Bereich von 35 Dezibel, der für allgemeine Wohngebiete gültige Maximalwert von 40 Dezibel werde demnach unterschritten. Die Anlage werfe in Düppenweiler keinen Schatten, und auch der von der Anlage produzierte Infraschall wirke sich nach aktuellen Erkenntnissen nicht negativ auf Menschen aus.
Eva Karlowatz, Projektleiterin bei EnBW, ergänzte, dass die Zuwegung über Hüttersdorf erfolge, wo die EnBW bereits einen Windpark betreibe. Der Netzanschluss sei bei Oppen geplant, hier suche man aber noch eine näher gelegene Variante. „Seit 2022 ist eine Beteiligung der Kommune möglich, mit 0,2 Cent pro Kilowattstunde“, erklärte Karlowatz. Eine Beteiligung durch Bürger sei an der gesamten Projektgesellschaft, aber nicht für einzelne Anlagen möglich. In einer App seien die Ertragszahlen der Windanlagen live abgebildet.
Auf Seiten der Kritiker sprach Dr. Christoph Canne von der Bundesinitiative „Vernunftkraft“ über allgemeine Argumente gegen Windenergie. Die Ausbeute aller Windräder in Deutschland betrage nach seinen Angaben lediglich zehn Prozent. „Windkraft liefert vollkommen unzuverlässig“, so Canne, bringe wenig und treibe den Strompreis weiter nach oben. Edgar Jungmann, Sprecher der Initiative „Vernünftige Windenergie“, äußerte Zweifel am geplanten Standort. Der Abstand zum Weiher des Angelsportvereins betrage weniger als 400 Meter, das Freizeitgelände Pützweiher des Turnvereins sei ebenfalls nur etwa 500 Meter entfernt. Auch der Litermont-Sagenweg führe in der Nähe vorbei. Außerdem: „Der Standort für die Windkraftanlage befindet sich in einem windschwachen Gebiet. Aufgrund der geringen Windausbeute kann lediglich mit einer 18-prozentigen Leistung der installierten Leistung gerechnet werden.“ Als weitere Argumente gegen die Anlage nannte Jungmann die enorme Höhe, abnehmende Lebensqualität in Düppenweiler und finanzielle Risiken.
In der abschließenden Fragestunde stellten sich die Vertreter von EnBW, Gaia und Initiative den Fragen der knapp 100 Bürgerinnen und Bürger. Zweifel an der Leistungsfähigkeit versuchte Eva Karlowatz auszuräumen – das Unternehmen investiere nicht in eine Anlage, wenn diese nicht rentabel sei. Außerdem trage EnBW das komplette Risiko, auch im Falle eines Rückbaus. Die Zweifel des Düppenweiler Ortsvorstehers Thomas Ackermann an der Aussage, dass keine Schwertransporte durch Düppenweiler fahren, konnte sie indes nicht ausräumen. Bei den Eingriffen in die Natur und Auswirkungen auf die Anwohner gingen die Meinungen der Anwesenden weit auseinander.
Bürgermeister Collmann erläuterte die nächsten Schritte. Der Ortsrat Düppenweiler befasst sich am 21. September mit dem Thema in der Mehrzweckhalle, der Bau- und Umweltausschuss berät darüber nicht-öffentlich am 27. September. Rat und Ausschuss geben eine Empfehlung für den Gemeinderat ab. Dieser entscheidet über das Vorhaben am Mittwoch, 12. Oktober, ab 18 Uhr, in der Deutschherrenhalle. Das Windrad ist das einzige Thema der Sitzung. Zu Beginn können sich Besucher im Zuge der Bürgerfragestunde, die laut Geschäftsordnung auf 30 Minuten beschränkt ist, zu Wort melden. „Ich werde nichts unterschreiben, was nicht 100 Prozent ist“, kündigte Thomas Collmann an, darauf werde auch der Gemeinderat genau achten.
INFO
Zwei Entscheidungen gegen Windkraftanlage
Der Gemeinderat Beckingen hat die Angebote des baden-württembergischen Energieversorgers EnBW für einen Windpark am Litermont bei Düppenweiler bereits zwei Mal abgelehnt. Zuletzt 2019, als zwei Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von rund 200 Metern in der Planung waren. Die beiden Windräder waren vormals Teil des Windparks Primsbogen, der auf Flächen der Gemeinden Beckingen, Schmelz und Nalbach errichtet werden sollte, und gegen dessen Realisierung sich der Gemeinderat 2016 ausgesprochen hatte.
Autorin: VON RUTH HIEN Saarbrücker Zeitung
erschienen am 16.09.2022 Seite C1
Quelle:
https://e-paper.saarbruecker-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/990719/14-15
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